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Schlüsseldienste: Es gibt riesige Preis- und Qualitätsunterschiede.

© Getty Images/iStockphoto

Pfusch und Abzocke: Wenn der Schlüsseldienst 1000 Euro verlangt

Die Stiftung Warentest hat Berliner Schlüsseldienste getestet. Ergebnis: mangelhaft. Wie schützt man sich vor überzogenen Kosten?

Rund 1000 Euro verlangte ein Schlüsseldienst in Berlin dafür, eine Haustür zu öffnen, die nach einem Windstoß zugefallen war. Die Hausbewohnerin stand draußen, ihr Schlüssel steckte innen. Per Handy suchte die Frau einen lokalen Notdienst und geriet an einen unseriösen Anbieter. Der Monteur bohrte den Zylinder auf und wollte für Arbeit und Material je rund 500 Euro haben – obwohl die Tür viel einfacher und preiswerter zu öffnen gewesen wäre.

Die Stiftung Warentest schildert den Fall zusammen mit weiteren unerfreulichen Erfahrungen mit Schlüsseldiensten in der Hauptstadt. So rief eine andere Betroffene, die sich ausgesperrt hatte, den Anbieter an, den sie in der Google-Suche an erster Stelle fand. Der angeblich lokale „Schlüsseldienst Kreuzberg“ kassierte 504 Euro, gut sechsmal mehr als angemessen. Der spätere schriftliche Widerspruch kam als nicht zustellbar zurück, auch die Strafanzeige half nichts, die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren ein.

Drei von vier Vermittlungsportalen sind mangelhaft: Das Risiko für Verbraucher, ähnlich teure Ärgernisse zu erleben, ist hoch. Das zeigt die aufwändige Untersuchung der Stiftung Warentest. Drei der vier untersuchten überregionalen Vermittlungsportale für Schlüsselnotdienste erhalten die Note mangelhaft. Nur der Schlüsseldienst von Gelbe Seiten schnitt gut ab. Die Firmen vor Ort, die direkt angerufen wurden, lieferten in sieben von zehn Fällen bessere Dienste.

„Es gibt korrekte Vermittler von Notdiensten“, sagt Projektleiterin Anke Scheiber, „aber es gibt auch oft Pfusch und Abzocke.“ Demnach wurden die geschulten Tester, die verdeckt die Dienstleister bestellten, mit unnötig aufgebohrten Zylindern, Berechnungen nach Schlosslänge und Abzocke durch eine „fallspezifische Einsatzpauschale“ konfrontiert. Bei Reklamationen sei nur selten jemand erreichbar gewesen.

Die seriöse Alternative: Gelbe Seiten

Als seriöse Alternative empfiehlt die Stiftung den Schlüsseldienst von Gelbe Seiten mit seinen Festpreisen. So koste die Öffnung einer zugefallenen Tür dort 89 Euro (montags bis freitags, 8 bis 18 Uhr). An Wochenenden oder nachts kommen Zuschläge dazu. Die drei anderen Vermittler dagegen langen unverfroren zu.

So habe der Schlüsselnotdienst von Remus in den Testfällen je mehr als 200 Euro kassiert, in einem Fall in Berlin sogar 240 Euro für vier Minuten Arbeit. In zwei Fällen wollte der Monteur zudem den Zylinder tauschen - unnötig und teuer.

Ausgesperrt: Das kann teuer werden.
Ausgesperrt: Das kann teuer werden.

© picture alliance / Holger Hollem

Der AFL Schlüsseldienst ließ die Kunden laut Test mit bis zu 80 Minuten am längsten warten und kassierte eine „Einsatzpauschale“. Ein Monteur habe die nur zugefallene Tür nicht aufbekommen, die Hotline vor dem Einsatz keine Gesamtkosten genannt. Der MK Notservice wiederum, der mit der inzwischen abgeschalteten Website schlossauf.de auf Kundenfang ging und über den es besonders viele Beschwerden gibt, verlangte in einem Testfall in Stuttgart 870 Euro und im Schnitt den vierfachen Preis.

Die Not wird ausgenutzt

Die Schlüsseldienste nutzen die Notlage der Betroffenen oft schamlos aus. Die Stiftung Warentest rät daher dazu, vorzusorgen und kühlen Kopf zu bewahren, anstatt in Hektik zu verfallen und überstürzt die nächstbeste Firma zu bestellen, die beim Googeln auftaucht.

Denn manche Firma in der Liste sei nur scheinbar vor Ort und die meisten Beschwerden gebe es wegen der Abzocke überregionaler Schlüsseldienste, die mit angeblichen Kooperationspartnern vor Ort werben. Wer gleich einen Notdienst braucht, sollte daher immer auf der Anbieter-Website schauen, wo der Dienst tatsächlich sitzt, empfehlen die Tester: „Ist das nicht am Wohnort, den nächsten checken.“

Wer vorausdenkt, hat es einfacher. So raten die Verbraucherschützer jedem, für Notfälle einen Ersatzschlüssel zu deponieren, zum Beispiel bei vertrauenswürdigen Nachbarn, Bekannten und Verwandten oder einem sicheren Ort in der Nähe.

Ersatzschlüssel sollte man beim Nachbarn deponieren.
Ersatzschlüssel sollte man beim Nachbarn deponieren.

© FOTOLIA

Vorher einen seriösen Anbieter aussuchen

Zudem sollte man sich, bevor die Tür zu ist, einen seriösen Schlüsseldienst in der Umgebung suchen. Anbieter mit Festpreis-Garantie in 62 Städten gibt es laut Stiftung Warentest online beim Portal schluesseldienst.gelbeseiten.de (Hotline 0800/3338 111). Die einfache Türöffnung kostet dort 89 Euro, bei abgeschlossener Tür 119 Euro. Kontaktdaten am besten gleich im Handy speichern und im Hausflur aushängen.

Und noch ein Tipp der Experten: Wer sich teure Nacht- und Sonntagszuschläge sparen will, übernachtet bei Freunden und sucht am nächsten Tag in Ruhe einen guten, preiswerten Schlüsseldienst.

Unseriöse Anbieter wollen immer sofort abkassieren. Bei überhöhten Rechnungen sehe man sein Geld dann meist nie wieder, warnt die Stiftung Warentest. Zudem habe man bei Barzahlung die Beweislast und keine zuverlässige Adresse. Besser sei immer die Überweisung.

Auch sollte man nicht zu viel zahlen. Nur ein angemessener Preis für die Leistung müsse beglichen werden, betonen die Verbraucherschützer. Gerichte gehen demnach von 110 bis 250 Euro je nach Region und Tageszeit aus.

Eine Anzeige bei der Polizei bringe meist wenig, so die Erfahrung der Stiftung Warentest. Mehr Aussicht habe eine Zivilklage auf Rückerstattung des zu viel verlangten Geldes. Der Werkvertrag sei sittenwidrig und nichtig, wenn deutlich überhöhte Rechnungen gestellt werden. Das Kostenrisiko liegt aber beim Kläger, ohne Rechtsschutzversicherung sollte man sich das gut überlegen.

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